Einsamkeit?
Die Kontaktbeschränkungen der vergangenen Jahre haben längst nicht nur die Erwachsenen belastet. Insbesondere Kinder und Jugendliche trifft die soziale Isolation und das Wegfallen alltäglicher Strukturen und bekannter Kontakträume schwer. Der wissenschaftliche Forschungsstand zeigt jedoch, dass Kinder und Jugendliche auch vor der pandemischen Situation und ihrer Folgen, verstärkt von Einsamkeit betroffen waren und mit 8,4% der Befragten unter 20 Jahren, ein geringer Unterschied vergleichend zu allen Befragten (9,5%) besteht.* Denn: Einsamkeit ist ein generationsübergreifendes Problem und kann jeden treffen!
Trotz dessen wird das Problem der Einsamkeit sowohl im gesellschaftlichen Verständnis als auch in öffentlichen Diskursen, weiterhin älteren Menschen zugeordnet, wodurch Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen als Problematik marginalisiert und vergessen wird. Inwiefern dies Gefahren für die Fokusgruppe birgt, verdeutlichen potenzielle Folgen von Einsamkeit:
- Fallendes Selbstwertgefühl
- Unwohlsein mit sich und Anderen
- Motivations- und Lustlosigkeit
- Exklusion
- Depressionen
- Gefährdung seelischer und körperlicher Gesundheit
Einsamkeit ist, im Gegensatz zu alleine sein, keine freie Entscheidung und kann durch besondere Lebenslagen hervorgerufen bzw. in Folge dieser Lebenslagen auftreten:
- Schuleintritt
- Scheidung / Trennung
- Umzüge
- Sterbefälle
Einsamkeit = Empfundener Unterschied zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen
TeilSein!
Um diesen Missständen entgegenzuwirken, hat das DRK in Schleswig-Holstein mit Kooperation mit den Kolleg*innen aus Thüringen, ein Schulungskonzept entwickelt, das auf die spezifischen Probleme von Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen eingeht und diejenigen, die haupt- oder ehrenamtlich mit der Fokusgruppe, der drei- bis 14- Jährigen arbeiten, für das Thema zu sensibilisieren und zu befähigen, frühzeitige Lösungsstrategien an die Betroffenen weiterzuvermitteln.
Ziel ist es somit präventiv zu agieren und im entsprechenden Maß die Resilienz der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Hierfür ist sowohl die Lehre spezifischer Wissensbestände als auch die Vermittlung geeigneter Wahrnehmungs- und Handlungsstrategien nötig.
Den Teilnehmer:innen sollen verschiedene Kompetenzen vermittelt werden, mithilfe derer sich geschulte und mit sich selbst sowie dem Thema, sichere Einsamkeitsbegleiter*innen, entwickeln und die somit in der Lage sind, den Betroffenen die erforderliche Unterstützung und Hilfe bieten zu können:
- Selbstreflexion & Rollenbewusstsein
- Beobachtungs- und Interaktionskompetenzen
- Familiäre Beziehungsgestaltung
- Praktisch, präventive Lösungsstrategien
Neben des Anspruchs Verbesserungen und Hilfestellungen in der Praxis, also direkt mit bzw. bei den Betroffenen zu bewirken, ist es von großer Wichtigkeit, Bewusstsein für das Thema Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft zu schaffen. Um weitere Marginalisierung zu unterbinden, ist es essenziell das Thema in den öffentlichen / gesellschaftlichen Diskurs einzubinden, zu debattieren und als Sprachrohr, für diejenigen ohne Stimme, zu fungieren.
Gedicht "Von der Einsamkeit"
Ein Gedicht von Björn Högsdal:
Endlich mal alleine sein,
endlich Ruhe vor dem Trubel,
endlich einmal etwas Me-Time,
ist manchem Grund für Jubel.
Endlich Ruhe vor der Welt.
Endlich Zeit für mich.
Kann sein, dass dir das so gefällt,
doch vielen geht´s so nicht.
Einsamkeit wird dann zur Krankheit
wenn Wärme und die Nähe fehlt.
Alleine sein hat gar nichts Schönes,
ist das nicht selbst gewählt.
Und Einsamkeit kann jeden treffen,
ob Kind, erwachsen, ob im Alter,
manch Mensch verschwindet im Kokon,
doch wird niemals zum Falter.
Der alte Mensch, der übrigblieb,
weil alle vor ihm starben,
die ihm einst wichtig oder lieb,
auch die, die ihn umwarben.
Wann war der letzte Händedruck?
War das vor ein paar Wochen?
Wann hat er noch das letzte Mal
mit jemandem gesprochen?
Der junge Mensch, der Freundschaft pflegte,
bis Arbeit ihm die Zeit nahm
und an Sozialkontakten sägte,
er fühlt sich jetzt oft einsam.
Das alte Netzwerk ist zerrissen,
der alte Freund lebt weit entfernt.
Ihm bleibt jetzt nur noch das Vermissen,
das hat er mit der Zeit gelernt.
Und auch ein Kind kennt so etwas,
und ja, es sind zu viele,
vielleicht, weil´s nirgendwo hineinpasst,
hat´s niemanden zum Spielen.
Schaut hin, wenn Kinder ganz verstummen,
schaut hin, wenn Kinder nicht mehr lachen.
Lasst sie vorm Bildschirm nicht verdummen,
wenn sie lethargisch nichts mehr machen.
Es würde gerne nicht allein sein,
es würde gerne Freunde finden,
es würde so gerne auch ein Teil sein,
zu Größerem sich verbinden.
Die Kinderwelt sollte nicht grau sein,
nicht düster ohne Farben.
Kein Kind darf sich verlassen fühlen,
sonst trägt es später Narben.
Und jetzt, wo Abstand wichtig ist,
verstärkt sich das Problem,
wenn´s Dunkel wird, wo sonst das Licht ist,
kein Silberstreif zu sehen,
wenn nirgends offene Ohren
und nirgends offene Herzen,
dann geht der Mensch dem Mensch verloren.
Dann wird die Einsamkeit zu Schmerzen.
Für Einsamkeit gibt´s viele Gründe,
sei´s Mobbing, Armut oder Krankheit.
So ist das Wegschauen eine Sünde,
wenn Hoffnung fehlt und Angst bleibt.
Der Mensch ist ein soziales Wesen,
ist Rudel- oder Herdentier
Einsam wird man nicht geboren,
nein, einsam werden wir.
Lasst uns eine Familie sein,
auch ohne Blutsverwandtschaft.
Lasst uns nicht Einzelkämpfer sein!
Kommt, werden wir zur Mannschaft.
Lasst uns soziale Netze weben,
lasst niemand durch die Maschen fallen,
mit- nicht nur nebenander leben,
lasst uns uns zusammenballen.
Lasst uns Gesellschaft überdenken,
lasst uns einander finden,
lasst Zuwendung und Zeit uns schenken,
auch Jung und Alt verbinden.
In einem Haus ist Platz für viele,
wir könnten dort zusammenwohnen,
da ist nicht nur Raum für Familie,
nein, da ist Raum für Generationen.
Lasst uns niemand übersehen,
schaut auf den Mensch´ in Nöten,
Einsamkeit macht nicht nur krank,
sie kann den Menschen töten.
Lasst uns Einsamkeit begleiten,
bis sie dann verschwunden bleibt,
Menschen zu den Menschen leiten,
bis dann auch diese Wunde heilt.
Ich kauf ein „G“, ein „E“, ein „M“
Und setz es vor das „Einsam“.
Wenn wir verknüpfen, statt zu trennen,
wird „Einsam“ zu „Gemeinsam“.