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"Es ist unsere Pflicht, hinzusehen, zu verstehen und zu handeln."

Quelle: DRK-Generalsekretariat

DRK-Landesverband begrüßt bundesweite Studie zu Kinderkurheimen – Aufarbeitung muss weitergehen

Der DRK-Landesverband Schleswig-Holstein begrüßt die jetzt vorgestellte bundesweite Studie zur Aufarbeitung der sogenannten „Verschickungskinder“ ausdrücklich. Die Untersuchung unter Leitung von Prof. Dr. Alexander Nützenadel an der Humboldt-Universität zu Berlin wirft erstmals einen umfassenden Blick auf die strukturellen und institutionellen Bedingungen in Kinderkurheimen der alten Bundesrepublik zwischen 1945 und 1989 – und damit auch auf die Rolle der Träger, darunter das Deutsche Rote Kreuz. 

Link zum Forschungsbericht des DRK-Generalsekretariats: Gemeinsame Pressemitteilung: Erster bundesweiter Forschungsbericht zu ehemaligen Kinderkurheimen - DRK e.V.

 „Wir erhoffen uns aus dieser Studie weitere wertvolle Hinweise, insbesondere zu Strukturen, die Leid, Zwang oder gar Missbrauch in Kindererholungsheimen ermöglicht oder begünstigt haben. Der DRK-Landesverband Schleswig-Holstein hat sich seit Langem für eine solche unabhängige Aufarbeitung auf Bundesebene eingesetzt“, betont Anette Langner, Sprecherin des Vorstandes des DRK-Landesverbandes Schleswig-Holstein. „Wir werden die Ergebnisse mit großer Aufmerksamkeit prüfen – nicht zuletzt, um das eigene historische Verständnis zu vertiefen und die Verantwortung, die daraus erwächst, weiterhin ernsthaft wahrzunehmen.“

Bereits vor mehr als zwei Jahren hatte der Landesverband eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben, um die Vergangenheit der DRK-Kindererholungsheime in Schleswig-Holstein aufzuarbeiten. Die sozialwissenschaftliche Studie der Universität Kiel unter Leitung der Sozialwissenschaftlerin Leoni Umlauft trug den Titel „Gewalt in der Kindererholung – Trägerschaft und Verantwortung“ und beleuchtete die Heime nach 1945 auf der Basis von Archivmaterial und Interviews mit ehemaligen Heimkindern. 

Link zur Studie des DRK-Landesverbandes: drk-sh.de/start/presse/meldung/drk-landesverband-schleswig-holstein-praesentiert-studie-zur-gewalt-in-kindererholungsheimen.html

Ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchung war, dass die damalige medizinische Zielsetzung – Kinder aus strukturschwachen Familien „aufzupäppeln“ – Druck erzeugte, der nicht selten in Gewalt mündete. „Das Ziel der Gewichtszunahme wurde in manchen Einrichtungen mit rigiden Methoden durchgesetzt – oft verbunden mit psychischer oder physischer Gewalt.“, so Langner.

Die Ergebnisse aus Schleswig-Holstein und die nun vorliegenden bundesweiten Forschungsergebnisse bestätigen: Gewalt, Demütigungen, autoritäre Strukturen und unzureichende pädagogische Konzepte waren keine Einzelfälle. Vielmehr zeigen sie ein erschreckendes Systemversagen, das viele Kinder nachhaltig traumatisiert hat.

„Unser Dank gilt den Betroffenen, die ihre Erinnerungen und Erlebnisse geteilt haben – trotz des Schmerzes, der damit verbunden ist“, so Langner weiter. „Die Vergangenheit lässt sich nicht ungeschehen machen. Aber es ist unsere Pflicht, hinzusehen, zu verstehen und zu handeln – auch, um sicherzustellen, dass Kinderrechte und Kinderschutz nie wieder unter die Räder eines Systems geraten, das eigentlich fürsorglich gedacht war.“

Hintergrund: Zwischen 1951 und 1990 wurden bundesweit rund 11,4 Millionen Kinder zur Erholung in Kur- und Heilstätten verschickt – oft gegen ihren Willen. Die bundesweite Studie, initiiert von DRK, Caritas, Diakonie und der Deutschen Rentenversicherung, liefert erstmals eine wissenschaftlich fundierte Gesamtschau auf das Phänomen der Verschickungskinder in der alten Bundesrepublik.

 

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